Baustein 3: Recht für Minderjährige
Zielgruppe: Sek. I, Klasse 9 – 10
Dauer: Je nach Umfang der ausgesuchten Aufgaben 90 – 180 Minuten; Besuch einer Strafgerichtsverhandlung: 1 Vormittag plus Vor- und Nachbereitung der Exkursion Materialien, Methoden: Einführungstext, Aufgabensammlung und Aufgabenblatt, Fallbeispiele, Flyer Jugendschutz; Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit, Präsentationen der SuS / Diskussion im Plenum. Optional Besuch einer Verhandlung im Strafgericht
Schulfächer: Deutsch, Ethik, Sozialwissenschaften / Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaft-Arbeit-Technik
Hinweise für die Lehrkraft:
Dieser Baustein vermittelt Grundsätze der gesetzlichen Bestimmungen, die für die Lebenswelt von Jugendlichen wichtig sind. Dabei werden das Thema Vertragsrecht und der Taschengeldparagraf des BGB ebenso behandelt wie das Strafrecht und die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes. Die SuS müssen dabei keine Rechts-Experten werden. Sie sollen aber eine Orientierung erhalten, die sie auch auf ihre Rechte und Pflichten bei Eintritt der Volljährigkeit vorbereiten kann.
Gerichtsverhandlungen sind übrigens grundsätzlich öffentlich, man kann sie mit der Schulklasse besuchen. Auch Verhandlungen des Strafgerichts gegen Erwachsene sind öffentlich und daher ohne weiteres auch von Schulklassen besuchbar. Speziell Jugendgerichtsverhandlungen sind allerdings nur dann öffentlich, wenn auch Heranwachsende (18 bis 21 Jahre alt) oder Erwachsene (ab 22 Jahren) mitangeklagt sind. Es kann ein interessantes Erlebnis sein, mit der Schulklasse in eine Strafgerichtsverhandlung zu gehen.
Man kann das vorher mit dem Gericht absprechen, dazu empfiehlt sich eine anfragende mail an das Gericht. Eine Pflicht ist die vorherige Absprache allerdings nicht. Die Lehrkraft sollte mit der Klasse aber jedenfalls rechtzeitig erscheinen- die meisten Gerichte verhandeln ab 09.00 Uhr. Man sollte sich also um 8.30 Uhr beim Strafgericht einfinden und dann die Aushänge studieren, auf denen die Verhandlungen des Tages und deren Uhrzeit und der Verhandlungssaal stehen. Achtung! Bei den meisten Gerichten finden Einlasskontrollen statt, Besuchende müssen Ausweise vorlegen und Taschen werden kontrolliert.
Vor dem Besuch einer Strafgerichtsverhandlung sollte die Erwartungshaltung der SuS besprochen werden. Auch Verhaltensregeln müssen besprochen werden. Hier ist es vor allem wichtig, dass sich im Gerichtssaal alle Zuhörenden ruhig verhalten müssen. Alle SuS müssen einen Ausweis mitnehmen und dürfen weder Waffen noch andere gefährliche Gegenstände dabei haben.
In der Nachbereitung können folgende Fragen helfen, das Erlebte zu strukturieren: Wie sah es im Gericht aus? Wie habt ihr die Atmosphäre im Gericht empfunden? Welche Personen waren im Verhandlungssaal? Welche Rollen spielten diese Personen, welche Aufgaben hatten sie? Worum ging es in der Verhandlung? Was habt ihr im Verhandlungssaal verstanden und was war für euch unverständlich? Warum sind Gerichtsverhandlungen öffentlich?
Und: Rechtsanwälte kann man auch in den Unterricht holen (siehe Modul 2 Baustein 1).
Einführungstext für die Schülerinnen und Schüler
Vertragsrecht
Zu den Leitlinien des Bürgerlichen Gesetzbuches gehört der Schutz Minderjähriger. Kinder bis einschließlich sechs Jahre gelten daher zu ihrem eigenen Schutz als „voll geschäftsunfähig“. Das heißt: Sie können alleine unter keinen Umständen wirksam Verträge abschließen. Kinder und Jugendliche von sieben bis einschließlich siebzehn Jahren sind „beschränkt geschäftsfähig“.
Das bedeutet: Verträge, bei denen sie den Kaufpreis allein mit ihrem Taschengeld zahlen können, sind wirksam. Alle anderen Verträge, die das Taschengeldbudget überschreiten, sind zunächst unwirksam. Sie werden erst dann wirksam, wenn die Eltern oder die Sorgeberechtigten gefragt werden und ausdrücklich ihre Zustimmung erteilen.
Kredite dürfen Minderjährige in keinem selbst Fall aufnehmen, auch nicht mit Zustimmung ihrer Eltern. Auch ein „überzogenes“ Girokonto ist rechtlich zu beanstanden, wenn der Kontoinhaber noch minderjährig ist. Es gibt zwar Kreditkarten für Jugendliche, diese funktionieren aber nur auf Guthaben Basis: Wenn zuvor Geld auf das Konto eingezahlt wurde, kann mit Kreditkarte bezahlt werden.
Ab dem 18. Geburtstag sind Jugendliche volljährig und ohne Einschränkung geschäftsfähig. Sie können dann alleine und eigenverantwortlich entscheiden, welche Verträge sie abschließen wollen. Das BGB geht davon aus, dass sie ab diesem Zeitpunkt die volle Reife und Einsichtsfähigkeit haben, die ein Verbraucher im Rechtsverkehr haben muss. Dann haben sie aber nicht nur volle Rechte, sondern auch alle Pflichten, die sich aus geschlossenen Verträgen ergeben!
Strafrecht
Bis zu einem Alter von einschließlich 13 Jahren sind Kinder strafunmündig. Das bedeutet: Sie können von der Polizei zwar verhört, aber nicht vor ein Jugendstrafgericht gestellt und dort bestraft werden. Allerdings kann das Jugendamt mit den Eltern Kontakt aufnehmen und verschiedene Maßnahmen anordnen. Schlimmstenfalls kann den Eltern sogar das Sorgerecht entzogen und das Kind z. B. in einer stationären Jugendeinrichtung untergebracht werden.
Von 14 bis 17 Jahren sind Jugendliche jedenfalls dann strafmündig, wenn sie zur Tatzeit „seelisch und geistig reif genug waren, das Unrecht der Tat zu erkennen“ gemäß § 3 Jugendgerichtsgesetz (JGG). Sie können dann in einem Jugendstrafverfahren strafrechtlich belangt werden. Auch Heranwachsende, das heißt junge Erwachsene von 18 bis einschließlich 20 Jahren, können noch nach Jugendstrafrecht verurteilt werden. Ab 21 Jahren gilt dann das Erwachsenenstrafrecht.
Das Jugendstrafrecht ist geprägt vom „Erziehungsgedanken“. Die Strafen sollen nicht –wie beim Erwachsenenstrafrecht- in erster Linie abschrecken oder die Schuld und das Unrecht der Tat sühnen. Jugendstrafmaßnahmen sollen stattdessen vor allem zu einem Leben erziehen, das ohne weitere Straftaten verläuft. Das Jugendstrafgericht kann eine Verwarnung aussprechen, Weisungen und Auflagen erteilen wie
zum Beispiel Freizeitstrafarbeiten, ein Anti- Gewalt- Training oder begleitete Gespräche mit dem Opfer. Es kann aber auch zu einem Jugendarrest verurteilen oder als letztes und schärfstes Mittel eine Jugendstrafe –also Haft- verhängen.
Aufgabensammlung: Recht für Minderjährige
Lest den Einführungstext und bearbeitet mit Hilfe dieses Textes sowie ggf. eigener Recherche im Internet folgende Aufgaben, nehmt dazu ggf. ein Extrablatt für eure Ergebnisse:
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- Sucht bei www.gesetze-im-internet.de das Bürgerliche Gesetzbuch BGB. Wo sind dort die Regelungen zur Wirksamkeit von Verträgen mit Minderjährigen zu finden? Fasst kurz mit eigenen Worten zusammen, was dort geregelt ist. Wo findet Ihr den sogenannten Taschengeldparagraphen und was regelt er?
- Sucht bei www.gesetze-im-internet.de das Jugendgerichtsgesetz JGG. Untersucht, welche Altersgrenzen im JGG unterschieden werden und welche Strafen verhängt werden können. Nutzt dafür auch den Einführungstext. Dokumentiert eure Ergebnisse in einer Tabelle.
- Erstellt eine Tabelle, die die unterschiedlichen Altersregelungen zu Vertragsschlüssen aufzeigt.
- Untersucht in Einzelarbeit folgende Fallbeispiele darauf, ob wirksame Verträge geschlossen wurden und begründet eure Antworten in einem kurzen Text in Einzelarbeit:
- Der 9-jährige Paul kauft eine DVD für 4,99 €. Mit seinen Eltern hatte er vorher nicht besprochen, ob er sein Taschengeld dafür verwenden darf.
- Die 14-jährige Nina bucht im Internet für die Sommerferien eine einwöchige Reise in einem Jugendcamp des Deutschen Roten Kreuzes. Ihre Eltern hatten ihr zuvor mitgeteilt, dass sie in diesem Jahr den Urlaub zuhause verbringen und gar nicht verreisen wollen. Nina hat den Reisepreis in Höhe von 299 € von ihrem Sparbuch abgehoben und schon an den Veranstalter überwiesen. Sicherheitshalber hat sie den Eltern noch nichts davon erzählt, weil sie fürchtet, dass die Eltern nicht einverstanden sein werden.
- Julian ist 17 Jahre alt und hat sich ohne Wissen der Eltern bei einer Fahrschule angemeldet, er möchte seinen Führerschein machen. Mit der Fahrschule hat er einen schriftlichen Vertrag geschlossen, der eine Grundgebühr von 190 € sowie weitere Kosten für Lernmaterialien und die späteren Fahrstunden enthält. Julian arbeitet jede Woche nach der Schule bei einer Eisdiele und will die Kosten davon bezahlen. Außerdem will die Oma ihm noch etwas dazugeben.
Bildet dann Gruppen und tauscht euch zu den Ergebnissen aus. Anschließend stellt jede Gruppe dem Klassenplenum die Ergebnisse der Gruppe vor. Hört abschließend der Lehrkraft zu, die die richtigen Lösungen erklärt und mit euch diskutiert.
- Untersucht in Einzelarbeit folgende Fallbeispiele, prüft ob / welche Straftaten vorliegen sowie welche Strafen drohen und dokumentiert eure Antworten auf einem Extrablatt. Diskutiert dann über eure Ergebnisse im Klassenplenum:
- Der 15-jährige Yannick wünscht sich schon wochenlang ein T-Shirt einer bestimmten Marke. Als er in einem Laden das Shirt zu einem extrem reduzierten Preis sieht, steckt er es in einem unbeobachteten Moment in seinen Rucksack: Es war doch sowieso schon so reduziert und er hat kein Taschengeld mehr!
- Die 14-jährige Rhima wird zum dritten Mal in einem Jahr beim U-Bahn-Fahren ohne Fahrschein erwischt. Ihre Eltern kaufen ihr oft keine Monatskarte.
- Der 13-jährige Tim kauft 1 Gramm Haschisch.
Arbeitsblatt: Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes
Notiere deine Antworten und Notizen zu den Aufgaben auf einem Extrablatt.
Recherchiere die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes zum Verkauf von Tabak und Alkohol an Kinder und Jugendliche, zu ihrem Aufenthalt in Gaststätten, Spielhallen, Tanzveranstaltungen und Kinos. Nimm dazu auch den Flyer des Bundesfamilienministeriums zur Hilfe. Gib die wesentlichen Regelungen mit eigenen Worten wieder. Sollten die Regelungen gelockert, beibehalten oder geändert werden, wenn ja: in welchen einzelnen Punkten? Begründe deine Meinung.
Lösungsblatt zu den Fallbeispielen für die Lehrkraft:
Fallbeispiel Paul:
Hier greift der sog. Taschengeldparagraph § 110 BGB. Der Kauf ist vermutlich im finanziellen Rahmen des Taschengeldes, das Paul zur freien Verfügung hat. Er hat bezahlt und die DVD ausgehändigt bekommen. Damit ist der Vertrag wirksam geschlossen und auch schon abgewickelt worden.
Fallbeispiel Nina:
Der Vertrag dürfte den Taschengeldrahmen weit übersteigen. Er ist also schwebend unwirksam, das bedeutet: Die Eltern können dem Vertrag widersprechen und dem Reiseveranstalter dies formlos mitteilen, dafür gibt es auch keine Ausschlussfrist. Der Vertrag wird dann rückabgewickelt und das Geld zurückgezahlt. Der Reise-Veranstalter kann auch keinen Schadensersatz verlangen.
Fallbeispiel Julian:
Es gilt das gleiche wie bei Nina. Hier ist aber hinzuzufügen: Die Eltern müssen natürlich nicht widersprechen. Sie können auch zustimmen, dann wird der Vertrag wirksam. Es ist also den Eltern zu raten, mit allen Beteiligten zu sprechen und erst dann eine Entscheidung zu treffen. Dies gilt natürlich auch für den Fall Nina.
Fallbeispiel Yannick:
Yannick hat eine Straftat begangen, nämlich einen Diebstahl nach § 242 StGB. Dass der Preis reduziert war und er kein Taschengeld für seinen Wunsch mehr hatte, spielt für die Frage der Strafbarkeit keine Rolle. Wenn er erwischt wird, wird er von der Polizei schriftlich oder mündlich vernommen. Zu einem späteren Zeitpunkt lädt ihn eventuell die Jugendgerichtshilfe ein, die in Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende mitwirkt und junge Delinquenten unterstützen sowie sozialpädagogische Gesichtspunkte in die Jugendstrafverfahren einbringen soll. Eine Kooperation mit der Jugendgerichtshilfe ist sinnvoll!
Fallbeispiel Rhima:
Rhima hat ebenfalls eine Straftat begangen, nämlich „Erschleichen von Leistungen“ nach § 265 a StGB. Dass ihre Eltern ihr keine Monatskarte kaufen, lässt die Strafbarkeit nicht entfallen. Dieser Umstand wird aber sicher im Rahmen der Strafzumessung eine Rolle spielen.
Fallbeispiel Tim:
Tim hat einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz begangen. Da er jedoch erst 13 Jahre alt ist, kann er nicht in einem Strafverfahren vor dem Jugendgericht bestraft werden. Möglicherweise wird sich aber bei den Eltern neben der Polizei auch noch das Jugendamt melden, um die Lebenssituation von Tim zu besprechen.